„Weniger Staat – mehr Privat“

Ein Thema, das uns alle angeht:

„Weniger Staat, mehr privat“ und die Konsequenzen Der britische Volksentscheid die Europäische Union zu verlassen hat den Wahrheitsgehalt des Faust-Zitats bestätigt: „Alles was entsteht ist wert dass es zugrunde geht“
Er hat uns vor Augen geführt, dass wir die Macht haben, falsche Wege, die einmal eingeschlagen wurde, wieder zu verlassen, die Konsequenzen rückgängig zu machen und unser Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.
Nichts ist in Stein gemeißelt. Alles was von Menschen je geschaffen wurde, kann von anderen Menschen irgendwann wieder demontiert werden.

In den 90er Jahren lautete das Motto „Weniger Staat, mehr privat“. Ein Trend, dessen Auswirkungen erst jetzt immer deutlicher sichtbar werden:

Aktiengesellschaften als staatlich befugte Treuhänder zum Betrieb und zur Erhaltung infrastruktureller Einrichtungen sind wie Pilze aus dem Boden geschossen. Aber: Die AG ist aufgrund ihrer Unternehmensrechtsform im Gegensatz zu einem Amt, das der Staat betreibt, nicht dem öffentlichen Interesse verpflichtet, sondern der Gewinnmaximierung im Interesse der Investoren. Das äußert sich darin, dass bei der Jahreshauptversammlung Personen, die sich für die Firma verdient gemacht haben, in den Aufsichtsrat gewählt werden, wo saftige Gehälter winken. Ein erstrebenswertes Ziel für Politiker aller Farben, wenn die
Amtszeit vorbei ist.

Dadurch lässt sich erklären warum Politiker so häufig „in die Privatwirtschaft wechseln“. Viele haben während ihrer Karriere in der Politik daran mitgewirkt, dass ehemals staatliche Infrastruktur an AGs übertragen wurde. Sobald diese Gesellschaften gegründet sind und die Amtszeit des Politikers vorüber ist, wechselt er vom politischen Amt in den Aufsichtsrat der Firma, die es ohne sein Mitwirken nicht gäbe.
Politische Entscheidungsträger, die eine Gesellschaft so begünstigen, haben für diese einen extrem hohen Wert. Die Dankbarkeit, die sich daraus ergibt, kann so weit gehen, dass auch den Kindern, selbst wenn diese zum Zeitpunkt des Deals noch sehr jung sind, Vorteile in Beruf und Ausbildung versprochen und in späteren
Jahren auch gewährt werden.

Geschieht das, so werden Privillegien erblich, was in der Geschichte nicht neu ist und sich mit der Zeit zum Adel oder Gottesgnadentum entwickelt. Weil die AG wesensbedingt zur Erwirtschaftung von Gewinn ausgerichtet ist, kommt es früher oder später zum Konflikt zwischen vormals vom Staat übertragenen gemeinnützigen Aufgaben und Dingen, die dem Unternehmen mehr Gewinn bringen.

Mit der Zeit werden per Vorstandsbeschluss gemeinnützige Verlustposten abgestreift und nur noch gewinnbringende Ziele verfolgt, was allerdings den Prinzipien der Gründung widerspricht. Da man aber zum Glück Personen im Aufsichtsrat sitzen hat, die noch immer über exzellente Verbindungen zur Politik verfügen, lässt sich mittelfristig die Gesetzeslage zum Vorteil der AG und zur Zufriedenheit der Anleger ändern.

Die Übertragung öffentlicher Infrastruktur an eine AG führt also aufgrund der Beschaffenheit einer AG fast zwangsläufig dazu, dass sich das Unternehmen mit der Zeit immer mehr von seinem ursprünglich beabsichtigten Zweck entfernt. Das öffentliche Interesse wird erst vernachlässigt, dann missachtet und der Gewinn steht
stattdessen im Vordergrund.

Die Institution verselbständigt sich und verfolgt eigene Ziele, die mit dem Gründungszweck nichts mehr zu tun haben. Vielleicht besteht die Lösung des Problems daraus, dass die exzessive Privatisierung der 90er Jahre zumindest teilweise wieder rückgängig gemacht und den beauftragten Firmen ihre erteilte Befugnis wieder entzogen und an den Staat rückgeführt wird, der besser geeignet ist, öffentliches Eigentum im Sinne der Bevölkerung zu verwalten als eine bevollmächtigte AG. Vielleicht wären uns sowohl als Luftraum- als auch
Straßenbenutzer viele Schikanen und Belastungen erspart geblieben, wenn der Staat die Verwaltung seiner Infrastruktur nie aus der Hand gegeben hätte.

Es wird sicher nicht leicht sein, den eingesetzten AGs ihre Befugnisse wieder zu entziehen. Sie werden es nicht kampflos hinnehmen, da sie inzwischen die öffentliche Infrastruktur, die ihnen als Treuhänder übergeben wurde, als Eigentum ansehen, das sie einsetzen können um damit auf Kosten der Allgemeinheit, der diese Dinge in Wirklichkeit gehören, Gewinne zu erwirtschaften.

Für einen einzelnen Menschen ist es nicht nur unmöglich, sondern auch gefährlich, sich an der Lösung dieser Probleme zu versuchen, doch wie ein kluger Mann einmal sagte: „Das Problem zu erkennen ist wichtiger, als die Lösung zu erkennen, denn die genaue Darstellung des Problems führt zur Lösung.“ (von Albert Einstein)
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