Von Tirol aus wurde das Coronavirus über Europa verteilt. Nach heftiger Kritik lässt die Landesregierung ihr Krisenmanagement untersuchen – und die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen der mutmaßlichen Vertuschung eines Infektionsfalls.
Tirol hat in Sachen Coronavirus in Österreich die Rolle des Buhmanns inne. Dort war einer der frühen „Hotspots“ für die internationale Verbreitung des Coronavirus in Europa. Traurige Berühmtheit hat die Bar „Kitzloch“ in Ischgl erlangt, in der sich offenbar viele Skitouristen besonders auch aus Skandinavien angesteckt haben, die das Virus dann in ihre Länder getragen haben.
Erst eine halbe Woche nachdem ein Barkeeper positiv auf Corona getestet worden war, wurde das Lokal geschlossen. Das Gesundheitsamt in der Landeshauptstadt Innsbruck hatte es zuvor noch als unwahrscheinlich betrachtet, dass die Bar als Ansteckungsherd in Frage komme. Die Regierung unter Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) hat bislang mit ihrer Haltung, man habe alles richtig gemacht, die Kritik nur verschärft.
Jetzt versucht man in Innsbruck, das Ruder herumzuwerfen. Eine unabhängige Expertenkommission soll das Krisenmanagement evaluieren. Es geht in Tirol nicht nur um die Frage, warum dieses oder jenes Lokal nicht schon früher zugesperrt wurde. Es geht um eine dichte Verfilzung in dem Land zwischen Tourismus, Wirtschaftskammer, Verwaltung und Politik – insbesondere der ÖVP. Idealtypisch dafür steht der Hotelier Franz Hörl.
Ermittlungen vor Ort sind im Moment nicht möglich
Er ist zugleich Obmann (Vorsitzender) der Interessenorganisation „Fachverband der österreichischen Seilbahnen“, Chef des Tiroler Wirtschaftsbundes und Nationalratsabgeordneter der ÖVP. Er ist jetzt wieder ins Gerede gekommen, weil er laut Medienberichten (die er nicht bestritt) dem Wirt des „Kitzloch“ eine SMS geschrieben haben soll: „Sperre Dein Kitz Bar zu – oder willst Du schuld am Ende der Saison in Ischgl u eventuell Tirol sein.“ Das war zu einem Zeitpunkt, zu dem die Tiroler Gesundheitsbehörde noch ihre verharmlosende Einschätzung kundtat.
Wenige Tage später verkündete Landeshauptmann Platter das Ende der Skisaison für Tirol – aber erst mit Ablauf der Woche. Das bedeutete drei weitere Tage Liftfahren und Après-Ski. Hörl sprach laut der Zeitung „Der Standard“ von einem „Kompromiss“. All das wirft die Frage auf, welches Gewicht in der Abwägung die Interessen der Tourismuswirtschaft und welches die Anti-Corona-Maßnahmen hatten.
Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung